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Geistliches Wort zu Pfingsten 2020, Pfarrer Karl Michael Engelbrecht

»Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth«.

»Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth«.

Zum Pfingstfest grüße ich mit diesem Wort des Propheten Sacharja, das seine Aktualität bis heute nicht verloren hat. „Durch Heer oder Kraft“ heißt durch Macht-Demonstration. Damit treten die auf, die in unserer Welt das Sagen haben wollen; die bestimmen wollen, wo es langgeht und nach welchen Regeln gespielt wird.  Die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie zeigen, wie töricht Machtgebaren sein kann. Im Hochmut unterschätzt es Gefahren und macht unvorsichtig. Trump, Putin, Erdogan, Johnson und wie sie heißen mögen, haben ihre Lektion bekomme. Es hat unnötige Menschenleben gekostet und die Wirtschaft, wie das ganze Leben, sind vielerorts noch mehr als bei uns beschädigt. Das mahnt uns achtsam zu bleiben. Das Ziel, wieder wie vor Corona leben zu können, lässt sich nicht mit Gewalt erzwingen, sondern es braucht Vorsicht und kluge Forschung, dass das Virus irgendwann gestoppt werden kann. Auf diesem drangvollen Hintergrund hören wir auf die Pfingstbotschaft, die sagt: Gott treibt seine Sache nicht mit Gewalt, sondern mit seinem Geist. Den gießt er aus, dass die Welt darüber heil werde. 

Davon erzählt die Pfingstgeschichte in der Bibel: Apostelgeschichte 2, 1-18

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.

Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab.

Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.

Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache?

Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unseren Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll süßen Weins. Amen.

Eine Antwort auf die Frage „Was feiern wir eigentlich an Pfingsten?“ lautet: „Wir feiern den Geburtstag der Kirche.“ Und wie die Bibel es schildert, könnte man meinen, dass diese Geburt mit einer Art Feuerwerk einhergegangen ist.

Die Pfingstgeschichte spricht von einem Brausen und von Feuerzungen, die vom Himmel fallen. Ein tolles Spektakel also. Aber es war noch mehr. Es war die Initialzündung einer Begeisterung, die sich rasch in alle Welt ausgebreitet hat. Menschen, die sich eben noch alleingelassen, traurig und ratlos erlebt haben, wachen auf und wachsen über sich selbst hinaus. Sie gehen in alle Welt und verkündigen das Evangelium in allen Sprachen. Es entsteht eine Bewegung, die bis in fernsten Winkel der Welt geht. Unter anderem bis nach Phrygien und Pamphylien heißt es da. Dass das auf dem Boden der heutigen Türkei liegt, spielt keine Rolle. Es hätte auch heißen können bis nach Hintertupfingen und Timbuktu. Das Evangelium läuft bis in die entferntesten Winkel und es sind viele Menschen, die von dem lebensfreundlichen Geist berührt und in Dienst genommen werden. Bewegt von Gottes Geist werden sie zu Anhängern und Multiplikatoren seiner Sache. Sie werden Kirche. Kirche kommt aus dem Griechischen. „Kyrikä“ heißt zum Herrn gehörig.

Die in der Kirche gehören zum Herrn, das heißt sie wollen in seinem Geist leben. Sie wollen achten, was er gesagt und getan hat. Sie geben sein Evangelium weiter und rufen als seine Boten weitere in die Nachfolge. Volkszugehörigkeit, Herkunft und Sprache spielen keine Rolle mehr. Der Geist Jesu, der Geist Gottes ist das verbindende. Er initiiert den missionarischen Auftrag. Über die Boten sammelt er die Menschen für eine Zukunft mit Gott. Die Kirche ist gleichsam der Ort der Sammlung.

Kirche wird heute meist als Institution erlebt, die viele sehr unterschiedliche Aufgaben wahrnimmt und alle möglichen Interessen vertritt. Da geht es um gesellschaftliche Verantwortung, um Kontaktpflege am Ort und in die Ferne, um die Präsenz in den Medien, da geht es um soziales Engagement mit Kindertagesstätten und Diakonie vom Besuchsdienst über die Krankenpflege bis zur Hospizarbeit. Da wird an die Menschlichkeit appelliert und es werden beispielhafte Zeichen gesetzt. So beschließt man etwa, dass ein Schiff gekauft wird, welches Flüchtlinge aus dem Meer retten soll. Aber Kirche wird auch anders erlebt. Da gibt es Missbrauchsfälle, die den Ruf erschüttern. Da wird von Gottesdiensten und Versammlungen berichtet, die zu Ausbreitungsorten von Corona wurden, weil man leichtfertig war und Regeln ignoriert hat. In solchen Zusammenhängen ist das öffentliche Interesse an Kirche beträchtlich. Skandale finden Beachtung und beim Reden über Kirche, werden auch schnell alle über einen Kamm geschoren.

Evangelisch, katholisch, freikirchlich - natürlich haben sie es alle mit Gott und mit Jesus Christus und jeder soll doch glauben dürfen, was er will. Kirchenfernen erscheinen die Unterschiede töricht. Schließlich glauben alle an den gleichen Gott. Lehrmeinungen und Maßgaben, die an Kirchenmitgliedschaft geknüpft sind, stoßen auf Unverständnis und sind kaum mehr vermittelbar. Warum werden Frauen nicht zum Priesteramt zugelassen? Warum soll ich nicht in der Kirche getraut werden, die mir gefällt, weil die Eventlokation in der Nähe ist? Weder macht der Konflikt um Maria 2.0 die katholische noch die Verweigerung von Kasualien bei Ausgetretenen die evangelische Kirche attraktiv. Von vielen Menschen in unserem Land wird Kirche nur noch als schwer durch­schaubare und nicht zuletzt wegen der Kirchensteuer als zu kritisierende Größe verstanden. Sie muss daher alles daransetzen, Vertrauen zu gewinnen, durch ihre Botschaft und ihr Dasein für die Menschen. Es ist an der Zeit sich von überholten Strukturen zu lösen und auch über Mitgliedschaften nachzudenken, die nicht an der Kirchensteuer hängen.

Kirche hat ihren Grund in Jesus Christus. Christus ist ihr Eckstein, der Grundstein auf den sie gebaut wird. Dieser Bau ist weiter im Gang und längst noch nicht vollendet. Gott wird sie einst vollenden und den Schlussstein setzen „nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch seinen Geist“. Wenn dieser Schlussstein gesetzt ist, wird es ein Tag des Jubilierens und der Freude sein. So sieht es der Prophet Sacharja. Was Gott mit seinem Geist an Pfingsten auf den Weg gebracht hat, das bringt er auch zu Ende. Das heißt Kirche hat ein Ziel, das bei Gott liegt. Auf dem Weg dahin soll sie sich als Hüterin des Evangeliums bewähren. Das hat sie 2000 Jahre lang getan. Wohl konfessionell gespalten, von menschlichen Fehlern belastet und wegen vieler Ungereimtheiten auch zu Recht gescholten, hat sie doch unter dem Beistand des Heiligen Geistes dafür gesorgt, dass es den finsteren und lebensfeindlichen Mächten dieser Welt niemals gelungen ist, die Macht der Liebe und den Glauben an eine freundliche Zukunft mit Gott zu zerstören. Und das muss jetzt als Geburtstagslaudatio genügen!

Mit ihrem Geburtstag feiert die Kirche auch den Heiligen Geist, der in ihr wirkt. Schon früh im Christentum haben Künstler den im Bild einer weißen Taube widergegeben. Unter einem solchen Bild habe ich nun bald 38 Jahre gestanden immer, wenn ich hier in der Bergkirche Gottesdienst gehalten habe. Eigentlich kann man das Bild überhaupt nur sehen, wenn man, vor dem Altar stehend, senkrecht nach oben schaut. Das Bild hat mich immer berührt, denn es weist auf das Ziel meiner und der Kirche Arbeit. Es findet sich am Schlussstein des Gewölbes, dort wo die Chorstreben über dem Altar zusammenkommen. Tief im Fundament liegt der Grundstein, der Eckstein, auf dem die Kirche gebaut ist. Ganz oben ist der Schlussstein, der letzte Stein, bei dem alles zusammen kommt. Er ist der Stein, der das Ganze vollendet und stabil macht. Ohne diesen Stein würde der Bau einstürzen.

Dort sieht man die weiße Taube, das Symbol des Heiligen Geistes. Sie hat ein Gesicht und einen goldenen Nimbus und sie schwebt aus einem blauen Schild. Es sieht so aus, als wolle sie vom Himmel kommend auf dem landen, der am Altar steht. Noch hinter dem blauen Schild findet sich ein rotes, das den eigentlichen Schlussstein verdeckt. Von der Form her erinnert es an ein vierblättriges Kleeblatt, an das Glückssymbol. Seine Blattränder sind golden eingefasst. Rund um das Bild mit der Taube verteilen sich auf dem weißen Grund der Decke schlängelnde Zungen und spitze Strahlen in blau und rot. Sie versinnbildlichen das Pfingstgeschehen: Die Ausschüttung des Heiligen Geistes.  Das von dem Feuerwerk ausgelöste Spiel der Farben in rot, blau und grün setzt sich noch ein ganzes Stück auf den Chorstreben nach unten fort. In der kirchlichen Ikonografie haben diese Farben alle eine Bedeutung. Blau ist die Farbe des Himmels und der Gegenwart Gottes. Rot ist die Farbe des Lebens, der Liebe und der Zeugen; auch die Farbe des Feuers ihrer Begeisterung. Grün weist auf das Paradies hin und symbolisiert die Hoffnung, da mal wieder hinzukommen. Weiß ist die Summe aller Farben und Ausdruck der Festtagsfreude. Das kostbare und undurchdringliche Gold schließlich verbirgt das göttliche Geheimnis vor den menschlichen Augen und wahrt es so vor jedem Übergriff bis an den Tag der Vollendung. Der verdeckte Schlussstein sagt: Das Letzte, die Vollendung bleibt uns noch verborgen. Wir dürfen nur wissen, dass uns Erfreuliches und Glückvolles erwartet. Das bedeutet auch, dass die Botschaft, die von diesem Altar ausgehen soll, nicht Katastrophe und Gericht ist, sondern im Sinne Gottes frohe Botschaft, Evangelium. Darin habe ich meinen Auftrag immer gesehen.

Meine Dienstzeit in der Auerbacher Gemeinde geht mit Pfingsten zu Ende. Eigentlich sollte deshalb da auch mein Verabschiedungs-Gottesdienst sein. Wegen Corona mussten wir diesen auf den 6. September verschieben, auf den 13. Sonntag nach Trinitatis, 15 Uhr. Es ist also noch kein Abschied, sondern ganz einfach Pfingsten.

So wünsche ich gesegnete Pfingsttage

Karl Michael Engelbrecht


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