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Geistliches Wort zum Sonntag Jubilate am 3. Mai 2020 vonPfarrer Karl Michael Engelbrecht

Geistliches Wort zu Jubilate

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Johannes 15, 1-8

Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt die Reben und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. Amen.

Audioaufzeichnung Geistliches Wort zum Sonntag Jubilate

Weil wir uns immer noch nicht wieder zum Gottesdienst in unserer Auerbacher Bergkirche versammeln können, füge ich dieses Bild bei. Wenn ich in unsere Kirche gehe, dann wird mein Blick automatisch dorthin zum Chor hingezogen. Das ist der vom übrigen Kirchenschiff abgesetzte Altarraum mit seiner baulich auffälligen Gestaltung. Er ist schmaler als die übrige Kirche und wird umrahmt von einem roten gotischen Spitzbogen, der sich von den sonst weißen Kirchenwänden absetzt. Die Decke des Chorraums hat eine kunstvolle und viel aufwendigere Gestaltung als die übrige Kirche mit ihrem hölzernen schlichten runden Tonnengewölbe. Im Chorraum finden sich feine gegliederte Deckenstreben, die über dem Raum an der Decke an zwei auch in ihrer farbigen Gestaltung besonders markierten Punkten zusammenlaufen. Die Deckenfelder zwischen den Streben sind mit grünen Ranken-und roten Blüten-Ornamenten ausgemalt. In der Mitte hängt das in Gold strahlende Triumphkreuz mit dem Christuskörperumgeben von kunstvoll geschmiedetem Rankwerk. Vor dem Hintergrund der Deckewirktes, als würde siemit ihrer Bemalung die Ranken des Kreuzes in veränderter Weise aufnehmen undentfalten. Das ganze Bildspricht von der göttlichen Kraft, die in Christus gegenwärtig ist. Aus ihr wächst das Leben. Esentfaltet sich, grünt und blühtum zu fruchten

Dieses prächtige Bildprogrammim Chorraum greift die Botschaft des Jubilate-Evangeliums auf, in dem Jesus sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht.“Mit dem Weinstock veranschaulicht Jesus zum einen seine Beziehung zu denen, die ihm nachfolgen und zum anderen seine Einheit mit dem Vater, der in diesem Zusammenhangauch die Rolle des Weingärtners innehat. Jesus verbindet den Schöpfergott mit der Christengemeinde, die sich in der Rolle der Rebenfindet, die am Weinstock hängen.

Weinstock und Reben sind schon im Alten Testament bedeutungsvolle Bilder. So wird im 128. Psalm eine gute Ehefrau im Haus mit einem fruchtbaren Weinstock verglichen. Oder die Geschichte des Volkes Israel wird im Bild vom Weinstock beschrieben. Gott hat diesen Weinstock in Ägypten ausgegraben und ihn im gelobten Land wieder eingepflanzt. Da sollte er gedeihen und seine Ranken ausbreiten. In den Büchern Mose wird berichtet, wie die Kinder Israels nach dem Auszug aus Ägypten und der langen und entbehrungsreichen Wüstenwanderung sich dem verheißenen Land näherten und Kundschafter aussenden. Die kehrten mit einer Weintraube zurück, von der es heißt, sie war so groß und schwer, dass sie von zwei Männern getragen werden musste -ein großartiges Hoffnungsbild. Es sagt, Not und Entbehrung haben bald ein Ende und die Zukunft wartet mit einem Leben in Fülle.

In dem Jesus sich mit dem vertrauten Symbol des Weinstocks identifiziert, sagt er, dass er Mitte und Halt der christlichen Gemeinde sein will. Er ist ihr Stamm und ihr Rückgrat. Davon gehen Triebe und Verästelungen aus. So wächst die Gemeinde, breitet sich aus und entfaltet blühendes Leben. Im Grunde aber hängt alles an ihm und alles geht von ihm aus. Alles Wachsen, Blühen, Gedeihen und Reifen hat seinen Grund in der Kraft, die von ihm kommt und die er weiter gibt, wie der Weinstock vom Stamm aus mit seinem Saft die Triebe und Ranken versorgt, dass die Knospen aufbrechen und blühen. Die unterschiedlichen roten Blüten stehen als Ausdruck unbändiger Lebensfreude. Das ist die eine Möglichkeit. Es gibt aber auch noch die andere. Verliert nämlich eine Rebe die Verbindung zum Weinstock, ist sie getrennt, dann bekommt sie kein Wasser, keinen Lebenssaft mehr. Sie verdorrt. Man wird sie abschneiden und verbrennen. Früchte können nur wachsen, heranreifen und saftige Süße entwickeln, wenn sie mit dem Weinstock verbunden bleiben. Vollmächtig sagt Jesus: Ich bin es, der euch die Kraft schenkt, die ihr zum Leben braucht. Wenn ihr euch aber von mir lossagt, dann werdet ihr verkümmern, wie die vom Weinstock abgeschnittene Rebe. Indem ihr zu mir haltet, entscheidet sich euer Heil. Nur wer bei mir bleibt, bringt Frucht, weil er teil hat an dem Leben, das der Weingärtner hütet und stärkt und, wenn es in Not gerät, auch rettet.

Frucht ist verheißen dem, der dran bleibt. Die Bibel nennt an vielen Stellen Früchte eines mit Christus verbundenen Lebens. Paulus zählt solche in seinem Brief an die Galater (5,22) auf. Das sind Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Bescheidenheit und Selbstbeherrschung. In Zeiten wie diesen merken wir, wie schwer es ist diese Tugenden zu halten. Ich habe große Hochachtung vor dem Pflegepersonal und den Ärzten, die unter schwierigsten Bedingungen und bei hoher Ansteckungsgefahr treu ihren Dienst geleistet haben und an vielen Orten dieser Welt weiter leisten. Ich bewundere das Personal in den Geschäften, welches die Regale füllt und die Kassen bedient und trotz allem Stress freundlich bleibt. Ich merke, dass es mir oft nicht gelingt, angesichts der Umstände der Corona-Pandemie friedlich und geduldig zu bleiben; auch wenn ich weiß, dass Schutz der Gemeinschaft Einschränkungen notwendig macht. Und es geht ja auch die Angst, dass Ansteckungen wieder zunehmen könnten. Dagegen steht  das Bedürfnis möglichst bald wieder Kontakte anders als auf Distanz zu pflegen, das Bedürfnis wieder normal zu arbeiten und Kindergärten und Schulen wieder ganz zu öffnen. Die Sehnsucht nach Freiheit und Normalität wächst und damit der Druck Kontaktverbote und eingeschränkte Mobilität möglichst bald zu lockern. Wissenschaft und Politik streiten sich. Wer behält am Ende recht? Lässt sich das Virus im Zaum halten? Wann sind endlich wirksame Impfstoffe da? Wie steht es um die wirtschaftliche Zukunft, um Zusammenhalt und Frieden: bei uns, in Europa, in der Welt? Was bedeutet es, dass die Rüstungsausgaben weltweit wieder massiv gestiegen sind? Waffen machen das Leben nicht sicherer. Das könnte Corona lehren. Was bedroht uns wirklich? Was schützt? Auf vieles haben wir keinen Einfluss und auch keine sichere Antwort. Die Zukunft bleibt immer ein Wagnis. Dazu braucht es verantwortungsvolles Mühen und vor allem Gottvertrauen.

Jesus sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Glauben und Gottvertrauen können wir uns nicht selber geben. Das muss von Gott kommen. Er wird es uns schenken, aber dazu müssen wir am Weinstock bleiben, d.h. den Kontakt zu Christus halten. Das muss nicht mit frommen Worten geschehen. Vielleicht reicht es schon, einmal für sich darüber nachzudenken, wieviel einem im Leben geschenkt wird und wie wenig aus der eigener Vernunft und dem eigenen Tun kommt. Wir können nichts für die meisten Rahmenbedingungen, in die wir hineingeboren sind: etwa, dass wir nicht hungern müssen, wie Hunderttausende in der Welt; dass wir ein Dach über dem Kopf haben; dass wir - wie sich gerade gezeigt hat - eine vergleichsweise gute Gesundheitsversorgung haben; dass wir ordentliche Bildungsmöglichkeiten haben und dass wir trotz aller Einschränkungen im Moment doch in der Regel ganz gut leben können. All das verdanken wir nicht unseren Anstrengungen, sondern es ist uns einfach in die Wiege gelegt; ebensowie die Tatsache, dass wir nicht nur auf uns gestellt sind, sondern in einem funktionierenden Gemeinwesen leben, in dem wir Zuwendung und Freundlichkeit geben und erfahren dürfen. Im Glauben dürfen wir darin Geschenke des Schöpfers erkennen.

Bei den Früchten geht es nicht um besondere Leistungen, die wir bringen müssten. Es genügt, einfach dran zu bleiben am Weinstock. Es genügt die Gemeinschaft mit Christus zu pflegen im Hören, im Bedenken und im schlichten Tun seines Wortes. Alles Übrigeliegt bei Gott. Das Bild vom Weinstock ist eine Einladung, es mit Christus zu wagen. In seiner Gemeinschaft soll das Leben gelingen. Dieses Leben bleibt nicht frei von Schwierigkeiten und Herausforderungen, aber es hat einen festen Halt, von dem immer wieder die Kraft kommt, sich neu zu orientieren und getrost in die Zukunft zu gehen. Amen.


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